
Metalle, Kunststoffe und sonstiges Endoprothesenmaterial (Implantate, die dauerhaft im Körper verbleiben und ein geschädigtes Gelenk/Zahn ganz oder teilweise ersetzen) sollten vor einer Operation /Implantation auf Verträglichkeit getestet werden.
Denn Metallbelastungen oder Belastungen durch Zemente (Methylacrylat) können in der Entstehung chronisch entzündlicher Multisystemerkrankungen eine ursächliche Rolle spielen, indem sie direkt Entzündung fördern und gleichzeitig den Regulationskreis zwischen Entzündung, Störung der Mitochondrienfunktion, oxidativem und nitrosativem Stress negativ beeinflussen.
Insofern tragen sie entscheidend dazu bei, dass über die chronische Entzündung die Immuntoleranz dauerhaft gestört wird, was den Organismus wiederum „sensibler“ und intoleranter gegenüber zahlreichen anderen Triggerfaktoren macht. Dieser Zusammenhang erklärt die „Breite“ der mit Metalleffekten in Verbindung gebrachten Erkrankungen.
Metalle können über zwei Mechanismen auf den Organismus einwirken. Zum einen können bei individuell bestehenden Sensibilisierungen (nachweisbar über den LTT) schon sehr geringe Belastungen eine Typ-IV-Immunreaktion hervorrufen. Die dann bei andauernder Belastung resultierende dauerhafte Immunaktivierung kann alle Facetten einer chronischen Entzündung umfassen, wie z.B. Verstärkung lokaler Entzündungsvorgänge, Autoimmunreaktionen und Müdigkeit.
Zum anderen können Metalle wie z.B. Quecksilber, Cadmium und Palladium schon in niedriger Dosis toxisch wirken und zelluläre Stoffwechselvorgänge hemmen. Auch sehr niedrige (subtoxische) Konzentrationen sind bereits von möglicher klinischer Relevanz, da Mehrfachbelastungen (auch aus Nahrung und Trinkwasser!) die toxische Wirkung des einzelnen Metalls potenzieren können.
Endoprothesenunverträglichkeit aus toxikologischer und allergologischer Sicht
Der Fortschritt in der Medizin macht es möglich, dass beschädigte Gelenke durch endoprothetischen Gelenksersatz (künstliches Hüft- und Kniegelenk) therapiert werden können und auch fehlende Zähne durch Implantate ersetzt werden können . Die verwendeten Materialien bei Gelenkersatz sind entweder Chrom-Kobalt-Molybdän-Legierungen oder hochwertiger Stahl oder Titan. Für Gleit- und Reibeflächen sowie Keramik-Gleitpaarungen werden auch Kunststoffverbindungen verwendet. Allerdings sind bei Gelenken auch reine Metall-auf-Metall-Gleitpaarungen gebräuchlich.
Die Ursachen für einen nötigen Wechsel von Gelenkprothesen sind vielfältig. Neben einem „Verbrauch“ des Gleitkunststoffs oder Infektionen spielen Lockerungen von Prothesenteilen eine entscheidende Rolle, für die entzündliche Veränderungen im implantatnahen Gewebe verantwortlich sein können. In jüngster Zeit werden vermehrt systemische „Nebenwirkungen“ diskutiert, wie:
lokale oder auch disseminierte Ekzeme
Wundheilungsstörungen
Einflüsse auf systemische Entzündungsprozesse
potentiell toxische Effekte durch in den Organismus frei werdende Metallionen.
Eine chronische Metallbelastung aus Endoprothesen kann allergische Reaktionen hervorrufen und/oder toxische Effekte auslösen.
Allergiebedingte Gelenk-Prothesenunverträglichkeiten
Eine Typ-IV-Sensibilisierung (Spättyp-Allergie) auf metallische Bestandteile in Implantaten und Inhaltsstoffe von Knochenzementen können für eine „Endoprothesenunverträglichkeit“ ursächlich sein.
Mögliche lokale Symptome einer allergie-bedingten Gelenk-Implantatunverträglichkeit sind:
schmerzhafte Entzündung der Gelenkflüssigkeit
Osteolysen (Auflösung oder die Degeneration von Knochengewebe (Knochenzersetzung)
aseptische (ohne Beteiligung von Erregern, keimfrei) Lockerung der Endoprothese.
zelluläre Immunkativierung mit Hautreaktionen wie lokale oder auch disseminierte (über den ganzen Körper verteilt) Ekzeme
Wundheilungsstörungen
andere systemische Entzündungsphänomene
Wann muss man an eine allergisch bedingte Zahnmaterialunverträglichkeit denken?
Als lokale Zeichen können sein:
Stomatitiden (Entzündungen der Mundschleimhaut)
Lichen ruber planus (Knötchenflechte)
Gingivitis (Entzündungen des Zahnfleisches und des tieferliegenden Zahnhalteapparats)
Parodontitis (entzündliche Veränderung (Infektion) des den Zahn umgebenden Gewebes und besonders des Kieferknochens)
Da Immunreaktionen prinzipiell systemischen Charakter tragen, können zahlreiche Allgemeinsymptome auftreten, für die im Regelfall das Zahnersatzmaterial nicht ursächlich ist aber als Triggerfaktor wirkt.
Diese unspezifischen Symptome können unter anderem sein:
Kopfschmerzen
Migräne
Neuralgien
Muskelschmerzen
Arthralgien
Fibromyalgie
Parästhesien
gesteigerte Müdigkeit
Schlafstörungen
depressive Verstimmungen.
Aus klinischen Fallstudien ist bekannt, dass bei sensibilisierten Patienten eine chronische Exposition mit Metallionen (u.a. Quecksilber, Gold, Nickel) Autoimmunität (chronische Arthritis, neurologische Erkrankungen) auslösen kann.
Für die Art und den Umfang der Symptomatik ist neben dem Ausmaß der Metallbelastung immer auch die individuelle Empfindlichkeit des Patienten von Bedeutung. Diese betrifft eine gewisse genetisch bedingte Empfindlichkeit aber vor allem die funktionelle Resistenz, das heißt die Fähigkeit des Organismus, auftretende Belastungen und Schädigungen kompensieren und reparieren zu können. „Resistenz“-fördernd sind zum Beispiel eine gute Versorgung mit essentiellen Spurenelementen (erkennbar im Vollblut-Mineralienprofil), eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen (B- und D-Vitamine, Folsäure, Coenzym Q10) und Antioxidantien.
Der Ausschluss einer bestehenden (systemischen) Sensibilisierung vor einer Implantat-OP erfolgt mit dem Lymphozytentransformationstest (LTT)
Für die vorbeugende Testung von Gelenkimplantaten und Zahnimplantaten/Zahnersatz existieren jeweils ein Kombinationsprofile, welche neben den potentiell in Implantaten enthaltenen Metallen, auch die Bestandteile von Zementen, Keramiken, Kunststoffen oder Legierungen enthalten. Auch Wurzelfüllmaterial kann im Vorfeld auf Verträglichkeit getestet werden.
Der Lymphozytentransformationstest (LTT) weist eine immunologische Sensibilisierung (Typ IV-Sensibilisierung) nach, d.h. er beantwortet die Frage, ob der Patient allergenspezifische T-Lymphozyten im Blut hat. Ein negativer Befund schließt eine Sensibilisierung auf die getesteten Allergene aus. Ein positiver Befund bedeutet für den Patienten, dass sein Immunsystem das jeweils betreffende Allergen erkennt. Dieses kann auf zwei Wegen geschehen:
- Vorhandene TH1-dominante Effektorzellen werden aktiviert. Es kommt zu einer Entzündung
- TH2- bzw. regulatorische T-Zellen sind hauptsächlich beteiligt, die Immunaktivierung wird gebremst, das Allergen wird trotz Sensibilisierung toleriert, es kommt, zumindest im Moment, nicht zur Entzündung.
Gelenk-Endoprothesen können durch Korrosion und/oder Abrieb deutliche Mengen an Metallionen oder -partikeln freisetzen. Studien zeigen, dass eine starke Metallfreisetzung die Wahrscheinlichkeit für einen notwendigen Prothesenwechsel signifikant steigert. Eine chronische Metallbelastung kann jedoch nicht nur Unverträglichkeit des Implantats selbst bewirken, sondern toxische Wirkungen im gesamten Organismus hervorrufen. So wurde erst kürzlich der Fall eines Patienten veröffentlicht, bei dem die Chrom- und Kobalt-Belastung aus einem Hüftimplantat eine schwere Retinopathie (Erkrankung der Netzhaut des Auges) hervorrief. Das häufig verwendete Kobalt ist darüber hinaus ein bekanntes Mutagen. Mögliche toxische Wirkungen der freigesetzten Metalle sind individuell verschieden und treten immer unabhängig von Sensibilisierungen auf.
Eine Metallbelastung wird mittels Multielementanalyse nach Provokation mit Chelatbildnern im Urin gemessen
Hier werden alle relevanten Metalle, die in Endoprothesen verarbeitet werden gemessen
Die Multielementenanalyse beantwortet die Frage, in welchen Mengen die getesteten Metalle im Körper vorliegen, die z. B. durch Freisetzung aus den Endoprothesen/Zahnersatz (oder auch Umwelteinflüssen) entstanden sind.
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